Vom Shoppingrausch in die Ernüchterung: Warum kaufen wir so viel?

    Vom Shoppingrausch in die Ernüchterung: Warum kaufen wir so viel?

    Wie mein Mann immer so schön sagte: ich bin der perfekte Konsument. Anstatt eines Lohns, könnten mir auch Gutscheine ausgezahlt werden, die ich dann fleißig in den diversen Klamottenläden einlösen würde. Also zumindest war das vor über drei Jahren noch so. Aber warum habe ich eigentlich nicht aufhören können etwas zu kaufen, obwohl ich wusste, dass weder mein Geldbeutel noch meine Ehe, das auf lange Dauer aushalten würden? Warum machen wir immer weiter? Warum kaufen wir so viel? Wie schafft es die Industrie immer wieder unser Verlangen zu wecken? 

    Weniger zu kaufen fällt mir noch heute schwer

    Im September 2018 startete ich mit einem für mich fast aussichtslosem Projekt. Ich hatte beschlossen ein Jahr lang auf den Kauf von Bekleidung und anderen Konsumgütern zu verzichten. Für mich, die seit ihrem 14 Lebensjahr jeden Cent für Klamotten ausgegeben hatte, ein nahezu unvorstellbarer Plan. In den letzten Monaten vor meiner Shoppingabstinenz hatte der Kaufwahnsinn seinen Höhepunkt erreicht. 

    Schon lange konnte ich keine Pakete mehr nach Hause bestellen, da dies zu auffällig war. Mehrmals pro Woche fuhr ich nach der Arbeit ins Einkaufszentrum, um dort meiner Sucht nachzugehen. Dann konnte ich die Sachen so lange im Auto verstecken, bis sie ihren Weg heimlich in meinen Kleiderschrank fanden. Die Auseinandersetzungen zu Hause und auch die Anmerkungen aus dem Verwandtenkreis zu meinen Kaufverhalten wurden immer häufiger. 

    Long story short: Nach unzähligen innerlichen Kämpfen fasste ich den Entschluss ein Jahr aufs Kaufen zu verzichten und unfassbarerweise gelang es mir. Doch noch heute muss ich jeden Tag an mir arbeiten, um nicht wieder in alte Muster zurückzufallen. Noch heute muss ich Newsletter schnell wieder schließen, mich dazu zwingen mehrere Nächte über einen Kauf zu schlafen und täglich an meinem Mindset arbeiten. Dabei beschäftigt mich immer wieder die Frage: “Warum kaufen wir so viel?”

    “Warum kaufen wir so viel?”

    Warum kaufen wir so viel?

    Diese Frage ist gar nicht immer so leicht zu beantworten. Ein Faktor ist unser ständiges Mangeldenken. Dieses wird natürlich permanent durch Werbung jeglicher Art, sei es der Banner auf einer Webseite oder ein reichweitenstarker Influencer auf Instagram oder TikTok, der wieder ein tolles, neues Produkt in die Kamera hält. Das Gefühl von Mangel ist allgegenwärtig.  

    Ich bin nicht genug. Nicht schön genug. Nicht erfolgreich genug. Nicht smart genug. Mit dem Kauf eines Produktes, sei es ein iPhone oder eine Gucci Tasche, wird unserem Unterbewusstsein suggeriert, wir seien nur mehr wert und würden uns besser fühlen, wenn wir dieses oder jenes besitzen. Wir wollen eine Lücke im Innen mit Konsum im Außen füllen.



    Wir bilden uns ein durch die Produkte eleganter, kreativer, innovativer, kompetenter oder was uns auch immer gerade, unserer Meinung nach fehlt, zu wirken. So einfach und so effektiv. Nicht nur bei mir, sondern bei einem sehr großen Teil der Gesellschaft wird so die Lust auf immer mehr Konsum geschürt. 

     Gesamtausgaben für Bekleidung und Schuhe in Deutschland bei 54,72 Milliarden

    Im letzten Jahr (2020) lagen die Gesamtausgaben für Bekleidung und Schuhe in Deutschland bei 54,72 Milliarden EURO (Quelle:   https://de.statista.com/statistik/daten/studie/283616/umfrage/konsumausgaben-fuer-bekleidung-in-deutschland/) Ein deutlicher Rückgang zu den Jahren davor. Zu berücksichtigen gilt hier natürlich die absolute Ausnahmesituation bedingt durch die Corona-Pandemie. Wir dürfen gespannt sein, wo uns die Kurve im Jahr 2021 führt.

    Schauen wir kurz auf die Zeit vor der Pandemie. Laut deutschland.de lagen 2019 die Ausgaben für Bekleidung mit gerade mal 4,4% nur auf Platz 7 der insgesamt 10 genannten Posten. Das scheint jetzt auf den ersten Blick gar nicht so viel zu sein. Schaut man sich jedoch den Anteil für Bildung mit 0,7% an, der damit auf Platz 10 landet, wird einem schon etwas anders. (Quelle: https://www.deutschland.de/de/topic/leben/konsumausgaben-dafuer-geben-deutsche-ihr-geld-aus )

    98 Prozent unserer Entscheidungen trifft unser Unterbewusstsein

    Viele Forscher haben sich bereits mit der Frage: “Warum kaufen wir so viel?” auseinandergesetzt. Dabei ergaben sich folgende Erkenntnisse. Bei Rabattaktionen springt das Belohnungssystem unseres Gehirns an. Unsere vordere Großhirnrinde, die für das rationale Denken zuständig ist, hingegen setzt währenddessen aus. Unsere Kaufentscheidungen treffen in fast allen Fällen nicht aufgrund der Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen, sondern aus emotionaler Perspektive heraus. Bevor sich unser Kopf einschaltet, hat unser Bauch schon längst gesagt wo es lang geht. Da unser Unterbewusstsein schon lange darauf konditioniert ist, dass Rabatte und Sales mit positiven Gefühlen verknüpft sind, fährt unser Körper automatisch immer wieder dieses Programm.

    Aus den bisherigen Erfahrungen haben wir gelernt, dass ein (vermeintlich) günstiger Aktionskauf das pure Glück ist. Umso öfter wir diese Handlung wiederholen, umso selbstverständlicher läuft dieses Programm in unserem Inneren ab. Die Grundsteine für eine Gefühlsautobahn sind gelegt. Da schnelle Straßen für unser Gehirn weniger Aufwand bedeuten als holprige Sandwege, nehmen wir immer wieder die Auffahrt auf den Superhighway.  

    schnelle Straßen für unser Gehirn weniger Aufwand bedeuten als holprige Sandwege,

    Natürlich fragt sich auch das Marketing: “Warum kaufen wir so viel?” und macht sich diese menschlichen Mechanismen zunutze. Dabei werden sieben unterschiedliche Muster benutzt, die dazu animieren mehr zu kaufen:

    • FOMO (Fear of Missiong out): Wie häufig haben wir es schon erlebt, dass ein Produkt künstlich verknappt wird, um uns zu suggerieren, dass es davon nur noch wenige gibt. Allein der Gedanke daran, dass wir etwas verpassen könnten, lässt uns panisch werden. Also schnell noch in den Warenkorb damit. Puhhh nochmal Glück gehabt.
    • künstliche Exklusivität: Noch vor ein paar Jahren waren Shoppingclubs der heiße Scheiß. Die Produkte waren besonders beliebt, weil dem Kunden vermittelt wurde, dass er nur über eine Einladung in den Kreis der Elite-Shopper aufgenommen kann. Exklusiv nur für dich, du bist etwas gaaaanz besonderes!



    • Retourebonus: Wir neigen eher dazu etwas zu kaufen, wenn wir denken, dass wir dabei kein Risiko eingehen. Wir können die Produkte ja immer wieder zurückschicken, umtauschen oder unser Geld zurückverlangen. Meist ist es jedoch so, wenn wir die Sachen erst einmal zu Hause haben, dann bleiben sie auch meist dort. (Das kann ich zumindest aus eigener Erfahrung so sagen.)
    • Bargeldlos bezahlen: Unser Schmerzzentrum wird aktiviert, wenn wir tatsächliches Papiergeld auf den Tresen legen müssen. Diesen unangenehmen Nebeneffekt des Einkaufens gibt es zum Glück in den Online-Shops nicht. Das ist nicht nur bequemer, sondern tut auch weniger weh. Hier ist meine Kreditkarte oder noch besser mit zwei Klicks via PayPal oder Klarna bezahlt. Soooo schön einfach!
    • die goldene Mitte: Ach nee zu teuer! Boah viel zu günstig das kann nicht gut sein.! Ach hier ist es ja, das klassische Angebot, genau in der Mitte. Perfekt! Produkte werden eher gekauft, wenn sich neben ihnen noch teurere und günstigere Varianten finden lassen.
    Produkte werden eher gekauft, wenn sich neben ihnen noch teurere und günstigere Varianten finden lassen.
    • die Illusion der Zugehörigkeit: Wahrscheinlich einer der häufigsten Antworten auf die Frage: “Warum kaufen wir so viel?” ist das Zugehörigkeitsgefühl. Früher wären wir ausgestorben, wenn wir aus der Gruppe verstoßen worden wären. Damit uns das unter keinen Umständen passiert, wollen wir auch heute noch uuuunnnbeedingt dazu gehören. Ansonsten sterben wir! Selbstverständlich spielt die Werbung mit diesem Urinstinkt und zeigt uns wie beliebt bestimmte Produkte bei anderen sind. Du kannst es ja mal bei dir selbst überprüfen. Klickst du bei TikTok eher aufs Herz, wenn das Video bereits von 1,7 Mio. Leuten geliket wurde oder auch, wenn es nur 24 waren?
    • die Empfehlung der (fast) besten Freundin: Einen Punkt möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Für mich ist der Verkauf von Produkten via Instagram und TikTok (allgemein Social Media) mit der Hauptgrund, warum ich so viel eingekauft habe. Hier wirken einfach viele der zuvor angesprochenen Mechanismen zusammen. Man ist sich rational darüber im Klaren, dass man diese Produkte nicht braucht und die Dame in der Story nicht die beste Freundin ist, aber ich komme nicht umhin den Kauf-Button zu klicken. Sie empfiehlt es doch und dann hat sie auch noch einen Rabatt-Code!!!! Oh mein Gott, das muss ich haben! Sie hat ein so perfektes Leben. Das will ich auch. Wenn ich dieses Produkt kaufe, dann bin ich genauso erfolgreich, hübsch, beliebt….. wie sie.



    Wie kann ich bewusster konsumieren?

    Wir sind zwar keine hirnlosen Maschinen, die einfach alles nach Hause schleppen, was ihnen über den Weg läuft, aber vor Werbung und deren Einflüsse ist niemand gewahr. Auch, wenn Menschen behaupten, sie würden sich durch das Marketing nicht beeinflussen lassen, ist das ein Trugschluss. Niemand kann sich den emotionalen Botschaften entziehen. Aber, wie kann ich denn nun dagegen vorgehen?

    Niemand kann sich den emotionalen Botschaften entziehen.

    Drei Schritte, die dir dabei helfen weniger zu shoppen:

    • Achtsamkeit: Ein achtsamer Umgang mit deinen Gedanken und Gefühlen ist der erste alles. Alle Gegebenheiten, alle Handlungen beginnen mit deinen Gedanken und die Emotionalen, die diese auslösen. Daraufhin wirst du etwas tun und ein entsprechendes Ergebnis erhalten. Sei also so achtsam im Umgang mit dir selbst wie möglich. Schreibe dir deine Glaubenssätze nieder und arbeite daran diese zu transformieren.
    • Bedürfnisse verstehen: Hast du analysiert, wann du besonders den Drang dazu verspürst einzukaufen. Bist du vielleicht gestresst, gelangweilt, nervös, verärgert, enttäuscht? Mache dir eine Liste mit Dingene, die diesen Gefühlen eher entsprechen würde. Zum Beispiel: ein Telefonat mit einer guten Freundin, eine Runde Yoga, Joggen, Gitarre spielen, häkeln, ein Buch lesen, gärtnern, kochen, malen, …
    • Schmerz vermeiden / Freude empfinden: Unser Hirn wird von zwei wesentlichen Kriterien beeinflusst. Das ist zum einen die Vermeidung von Schmerz und zum anderen das Empfinden von Freude. Finde heraus, welche Variante dich mehr motiviert. Entweder machst du Einkaufen in deinen Gedanken zu einem so schmerzhaften Erlebnis, dass du nicht anders kannst, als die Finger davon zu lassen oder du verbindest das größte Glücksgefühl damit auf deine Ziele hinzusparen. Probiere aus, welche Version für dich am besten funktioniert. Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem. 

    Was denkst du, warum kaufen wir so viel? Kannst die beschriebenen Verhaltensmuster bei dir selbst beobachten? Shoppst du auch oft ungewollt zu viel? Schreib es mir gern in die Kommentare! Ich freue mich von dir zu lesen 🙂

    Wie Online-Shops mich ruinierten

    Wie Online-Shops mich ruinierten

    Wie Online-Shops mich ruinierten

    Wenn es bei gelegentlichen Shoppingeskapaden im Einkaufszentrum geblieben wäre, dann hätte mein Konto das vielleicht gerade noch so verkraften können. Aber unsere moderne Welt bietet uns so unendlich viele Möglichkeiten. Natürlich auch die, das man ungehindert 24/7 shoppen kann. Ach, was sind wir gesegnet. Keine Schließzeiten, kein Gedränge, endlose Auswahl. Genau diese verheißungsvollen Vorzüge werden für mich zum Verhängnis. 

    Titelbild: Unsplash / Sergey Zolkin/ 2019

    Ich verbringe Stunden, Tage und Wochenenden damit mich in diversen Online Shops rum zu treiben und eine Seite nach der anderen durch zu scrollen. Immer mit der Vorstellung des idealen Outfits im Kopf. Den netten Herrn, der im Lottoladen immer die Pakete für mich entgegennimmt, kenne ich mit Vornamen und er bekommt auch jedes Jahr von mir ein Weihnachtsgeschenk für seine Mühen. Auch die vielen Gesichter anderer Nachbarn sind mir gut bekannt, da ich auch dort häufig Pakete abholen muss. In den schlimmsten Phasen vergeht kein Tag, an dem nicht ein Zettel im Briefkasten liegt. Bestellungen, die weit über der 500 EUR Marke liegen, werden zur Gewohnheit. Mir kommt das tatsächlich auch gar nicht viel vor. Das behalte ich doch eh nicht alles, sind so meine Gedanken als ich mit der Maus auf den Bestellen Button klicke. Mittlerweile schicke ich schon teure Taschen oder sehr große Pakete an meine Oma, damit mein Mann davon nichts mitbekommt, um dann später so zu tun, als hätte ich diese Dinge schon seit Jahren besessen. Häufig versuche ich auch früher am Briefkasten zu sein als mein Mann, damit er die Zustellungszettelchen nicht findet oder ich versuche Bestellungen so zu timen, dass ich diese zu Hause entgegennehmen kann, ohne, dass er davon etwas mitbekommt. Ich bin so ein Fuchs -.-’



    Heftige Auseinandersetzungen nehmen zu

    Nein bin ich nicht so superschlau, wie ich dachte, denn mein Mann bekommt natürlich früher oder später doch mit, dass da das eine oder andere Teil vorher noch nicht im Kleiderschrank lag. Da ich auch einen ausgesprochen fantastischen Mann habe, macht dieser auch, glaubt es oder glaubt es nicht, die Wäsche. Da fällt das selbstverständlich doppelt auf. Der Streit, dass schon lange nichts mehr in den Schrank passt, ich genau dieses Teil schon besitze und das Geld zum Fenster rauswerfe, ist vorprogrammiert. Wir haben uns, trotz langer Beziehung und Heirat, dazu entschieden getrennte Konten zu behalten und sind damit auch sehr zufrieden. So ist mir momentan (ein Glück) noch die Möglichkeit verwehrt das Geld meines Mannes gleich mit aus dem Fenster zu werfen. So tue ich das nur indirekt, indem er immer häufiger normal anfallende Rechnungen von seinem Konto mit ausgleich muss. Mir fehlt leider das Geld mich an den standardmäßigen Kosten, wie beispielsweise dem Lebensmitteleinkäufen, zu beteiligen. Schlechtes Gewissen und Diskussionen darüber, wo denn mein Gehalt schon wieder abgeblieben sei, inklusive. Das Schockierende ist im Nachhinein nur, dass mich das alles nicht davon abgehalten hat, genauso weiter zu machen.  

    Mein Weg von der Kaufsucht zur erfolgreichen Anlegerin

    Mein Weg von der Kaufsucht zur erfolgreichen Anlegerin

    Hallo Zusammen, mein Name ist Jessi, ich bin 28 Jahre alt und ich habe ein Problem. Ich kaufe einfach zu viel. Einige oder vielleicht sogar viele von euch kennen das sicher. Diesen einen Gedanken, der sich manchmal festsetzt und wie einem das letzte Puzzleteil zum Glück erscheint: dieses eine Stoffteil muss ich mir noch unbedingt haben, dann ist alles perfekt. 

    Es ist auch wirklich nur noch dieses eine Kleidungsstück, das mir noch fehlt, was auf dem Insta-Foto einfach grandios aussah. Den Rest für das Outfit hab ich bereits, aber ich brauche unbedingt noch diesen einen Pulli, jene Shorts oder das eine Paar Pumps, damit es mindestens so stylisch aussieht, wie ich es im Netz gesehen hab. Doch ist das schon Kaufsucht?

    Der Klamottenkauf hat mich über den Tag gerettet

    Den ganzen Tag hält mich nur dieser eine Gedanke über Wasser: “Nach der Arbeit kann ich ja schnell diesen einen Pullover kaufen, den ich gerade im Newsletter gesehen habe. Danach gehe ich direkt wie geplant zum Sport!” Mein Fitnessstudio befindet sich direkt in einem der größten Shoppingcenter Berlins. Wow, wie praktisch für mich! 

    Die Aussicht auf den kommenden Einkauf, ist das Einzige, was mich überhaupt erst motiviert zum Sport zu gehen. Ganz hinten in meinem Kopf, hinter dieser alles überstrahlenden Vorstellung des perfekten Outfits, ist so ein winziges, kleines nagendes Gefühl, so ein dumpfes Pochen. Ach ja, Gewissen heißt das bei den meisten Menschen und natürlich meldet sich das auch bei mir…

    “Dir ist schon klar, dass du dir das eigentlich nicht leisten kannst, weil du gestern erst, als du eigentlich zum Sport wolltest, schon zwei Pullis gekauft hast?!”

    “Ach komm schon, das geht schon irgendwie, du hast doch gespartes Geld, dann nimm doch eben das. 

    “Aber du weißt schon, dass Näherinnen ausgebeutet werden und die Umwelt verpestet wird, nur damit du wieder ein Teil mehr in deinen Kleiderschrank pfropfen kannst, das du nach zwei Tagen eh wieder vergessen hast?!”

    “Ruhe jetzt, es ist doch auch nur noch dieser eine Pulli, der mir noch fehlt, nur noch dieser eine Pulli….”

    So diskutieren Engel und Teufel links und rechts von mir, während ich munter in den Laden spaziere.

    Was ist Kaufsucht?

    Kaufsucht ist keine eigenständige Diagnose, sondern wird zu den Störungen der Impulskontrolle gezählt. Diese kann sich unter anderem mit folgenden Symptomen äußern:

    • das Kaufverlangen ist ausgesprochen intensiv
    • es besteht wiederholt ein Kontrollverlust beim Einkaufen
    • häufig wird Ware in einer Stückzahl erworben, die nicht notwendig ist
    • es werden Konsumgüter gekauft, die nicht gebraucht werden
    • Gekauftes wird schnell vergessen, verstaut, verschenkt oder sogar entsorgt
    • der Einkauf erfolgt aus einem emotionalen Grund und wirkt daraufhin belohnend
    • aus dem Kaufverhalten entstehen negative Konsequenzen, wie Konflikte mit der Familie und Freunden sowie finanzielle Probleme und Verschuldung
    • die verwendeten Geldsummen brauchen früher oder später die finanziellen Ressourcen der Betroffenen auf

    Herzlichen Glückwunsch! Sie haben die volle Punktzahl erreicht. Ich erkenne mich in jedem dieser acht Verhaltensmuster wieder. 

    Ich habe meine Einkäufe vor anderen verheimlicht  

    Der Stapel an Kleidungsstücken auf meinem Arm wird immer höher. Berauscht stürme ich in die Umkleidekabine. Ich probiere die ersten Teile an. “Wow sieht der gut aus.” Der Pulli ist genau so, wie ich ihn mir vorgestellt habe, perfekt. Meine Augen leuchten, mein Gesicht strahlt, ähnlich einer 14-jährigen, die gerade ihre einzig wahre Lieblingsband zum ersten Mal auf der Bühne sieht. 

    Mein Problem ist nur, ich habe nicht nur eine Lieblingsband, es sind mittlerweile plötzlich fünf. Ich habe mich gerade in fünf Kleidungsstücke verliebt. Und ich bin mir ganz sicher, dass ich ohne diese nicht mehr weiterleben kann. Ich ziehe alles noch mal an und überlege, ob ich das wirklich alles kaufen soll und wie ich das Zeug am besten zu Hause vor meinem Mann verstecke. 



    Eigentlich ist das eine meiner größten Sorgen, nicht, dass dabei so viel Geld flöten geht, sondern, ob mein Mann seine Drohung bald wahr macht und die Scheidung einreicht, wenn ich nicht bald aufhöre, den zwanzigsten Rock und die zehnte Tasche in der gleichen Farbe zu kaufen. Von welchem Geld ich die Sachen bezahle, hatte ich ja bereits längst abgehakt.

    Ich überlege also, wann mein Mann nicht zu Hause ist, was gar nicht so einfach ist, da er aufgrund seines Berufes, viel von zu Hause aus arbeitet. “Da war doch diese eine längere Konferenz morgen, perfekt! Ich lagere die Sachen einfach so lange im Auto und schmuggle sie dann später heimlich in die Wohnung. Puhhh, so kann’s klappen. Super!”, denke ich und schlendere gemütlich mit meinen neuen Schätzen zur Kasse. “Zahlen bitte!” Allein diese Gedankengänge machen mich zu einem potenziellen Kandidaten für eine ausgewachsene Kaufsucht. 

    Wieder einmal habe ich zu viel gekauft

    Zum Sport kann ich an diesem Tag leider nicht mehr gehen, denn das Kaufen dieses “einen Pullis” hat mich über 2,5 Stunden gekostet, aber Shopping ist ja auch cardio! Ernsthaft?! Warum muss ich mich eigentlich rechtfertigen?! Ich bin erwachsen, ich kann tun und lassen, was ich will. Ich fahre mit meiner Beute nun nach Hause, glücklich und zufrieden. Fürs Erste, denn morgen ist ein neuer Tag, mit neuen Instagram-Posts, mit neuen Outfits, mit neuen stylischen Teilen, mit neuen Wünschen und mit neuen Ich-muss-haben-Gedanken.

    Und die Moral von der Geschicht: Ich hab ein Problem, ich verlier die Übersicht! Eine Kaufsucht wollte ich mir nicht eingestehen, doch, dass ich ein Problem habe, wird mir immer klarer. Falls du dich zwischendurch beim Lesen gefragt haben solltest: “Warum geht sie zum Einkaufen eigentlich in ein Shoppingcenter? Online Sachen zu bestellen, ist für mich noch viel verlockender!”, dann sei dir gesagt, dass ich über diesen Punkt längst hinaus war. Das Offline-Shopping war für mich nur eine Methode, um die ganze Paketflut zu vermeiden, die deutlich schwieriger zu verheimlichen ist. 

    Die 1.600 EURO Autorechnung

    Die Summe von rund 1.600 EURO leuchtet mir schwarz auf weiß unheilvoll entgegen. “Auto beginnt mit A und endet mit O.” Ja, vielen Dank liebes Hirn, dass du immer wieder mit derlei Weisheiten glänzt! Diese Rechnung wird den größten Teil meiner ohnehin mickrigen Ersparnisse aufbrauchen. “Dann kannst du den Rest gleich auch noch ausgeben! Jetzt ist es eh egal.”, ist der erste Gedanke, der mir dabei durch den Kopf schießt. 

    Die Kaufsucht schlägt wieder voll zu. Doch, da ist noch etwas. Neben dem Verlangen sofort alles für Klamotten auszugeben, wehrt sich auch etwas ganz vehement dagegen. “Ist es jetzt nicht mal langsam genug? Hast du nicht genug Pullover, genug Schuhe, genug Röcke? Genug von den Gewissensbissen, die mit jedem Einkauf einhergehen? Genug Geld für sinnlosen Kram ausgegeben?” Langsam, gaaaanz langsam versuche ich mich mit dieser Idee anzufreunden.

    Wie schaffe ich es weniger zu shoppen?
    Wie schaffe ich es weniger zu shoppen?

    Ich versuche mich an den Gedanken zu gewöhnen, weniger einzukaufen

    Ich google das erste Mal “keine Kleidung kaufen”. Über 51 Millionen Ergebnisse spuckt mir die Suchmaschine aus. Ich lese verschiedene Blog-Artikel, die in alle etwa so klingen: “Ein Jahr, ein Kleid”, “Warum ich keine Klamotten mehr kaufe”, “Ich kaufe ein Jahr lang keine neue Kleidung”. Zudem stoße ich auf das Buch “Ich kauf Nix” von Nunu Kaller und bestelle dieses kurzerhand. 

    Noch traue ich der ganzen Sache nicht. Also man soll sich ja kleine Ziele setzen. Schritt für Schritt und so. Aber ganz offensichtlich haben das bereits so viele andere Frauen schon geschafft und du willst jetzt kneifen? “Öhm ja, eigentlich hab ich darauf gar keinen Bock. Ich finds nämlich scheiße keine Klamotten mehr zu kaufen, ich will dem Konsum frönen!”, schreit meine Kaufsucht unüberhörar laut in meinem Kopf. So wie mir das schließlich mein ganzes Leben lang eingetrichtert wurde: “Nur der Konsum kann dich glücklich machen! Nur wer besitzt, ist vollkommen! Und Werbung hat immer Recht!” Klingt doch logisch oder?!”



    Allmählich merke ich, dass da mit meiner Einstellung irgendwas gewaltig schief läuft. Für unsere Konsumgesellschaft bin ich so perfekt konditioniert, dass bei diversen Online-Shops sicher regelmäßig ein kleines Tischfeuerwerk abgefeuert wird, wenn ich mich gerade mal wieder auf deren Startseite bewege.

    Dann geht alles ganz schnell

    Mein Mann meinte mal, bei mir würde es ausreichen, wenn mir am Ende des Monats kein Gehalt ausgezahlt werden würde, sondern ich einfach nur Einkaufsgutscheine bekommen würde. Ja, Recht hat er, kam bei mir nur nicht an. Bis jetzt! Die kognitive Dissonanz zwischen euphorischem Glücksgefühl und dem beißenden schlechten Gewissen beim Kauf von Dingen, die man ja eigentlich unbedingt braucht, aber eigentlich auch nicht, zermürbt mich. Außerdem bin ich da auf etwas gestoßen, was mich derart reizt, das ich nicht kann, als eine andere Richtung einzuschlagen. Die neue Zauberformel lautet: ETF!