Es fällt mir schwer hier die richtigen Worte zu finden. Die aktuellen Geschehnisse, die gerade die Welt erschüttern, sind unbeschreiblich. Mit den alltäglichen Aufgaben fortzufahren, scheint absurd, wenn man sich die derzeitigen Bilder des Krieges vor Augen führt.
Noch merkwürdiger fühlt es sich an, in solchen Momenten über die Themen Geld und Finanzen zu sprechen. Dennoch sind das die Bereiche, die derzeit viele beim Blick auf ihr Depot beschäftigen. Derlei Krisen, wie wir sie gerade erleben, gehen natürlich auch an den Aktienmärkten und den Anlegern und Anlegerinnen nicht spurlos vorbei. Einige stellen sich dabei die Frage: “Soll ich jetzt alles verkaufen bei fallenden Kursen?”
Bevor wir jedoch darauf zu sprechen kommen, möchte ich noch auf einen Artikel des enorm Magazins verweisen:
6 Dinge, die du für die Ukraine tun kannst, außer zu spenden
Vorbereitung ist alles
Nur, wer sich wirklich auf Crash-Situationen vorbereitet hat, kann in Marktabschwüngen, wie diesem, gelassen bleiben. Was meine ich mit richtiger Vorbereitung? Dazu gehören zweierlei Dinge. Zum einen der korrekte Aufbau des Portfolios und zum anderen das entsprechende Mindset.
Wie sollte ich mein Portfolio aufbauen, um auf Krisen vorbereitet zu sein?
Der Finanzexperte und Spekulant André Kostolany teilte die Börsianer überaus treffend in zwei Gruppen ein: die Hartgesottenen und die Zittrigen. Was solltest du also tun, um zu ersteren zu gehören?
1.Basiswissen aneignen
Meiner Meinung nach ist der allererste Schritt, mit dem jedes (Börsen)-Investment beginnen sollte, der Wissensaufbau. Bevor du auf irgend einen Kaufen-Button klickst: erst informieren, dann investieren.
Nur, weil mittlerweile BILD und Brigitte über ETFs (Exchange Traded Funds) berichten, bedeutet das nicht, dass du nun einfach losrennen und diese wahllos in dein Portfolio packen solltest. Schließlich gibt es über 1.000 verschiedene Indizes und dazugehörige ETPs (Exchange Traded Products), zwischen den du wählen kannst.
Dabei solltest du schon genau wissen, ob du nun in einen MSCI World, der seinen Fokus auf Industrieländer setzt oder einen J.P. Morgan USD EM Diversified Bond 1-5 UCITS ETF, der sich auf Staats- und Unternehmensanleihen au Schwellenländern konzentriert, setzt.
Dafür solltest du dir jedoch vorab erst einmal folgende Fragen beantworten können:
- Wie funktioniert die Börse?
- Wie entstehen fallenden/steigende Kurse?
- Was sind Aktien?
- Was sind ETFs?
- Was sind Staats-/Unternehmensanleihen?
- Was ist das magische Dreieck der Geldanlage?
- Warum sollte ich mein Geld überhaupt investieren?
Allein mit dieser Vorbereitung, wirst du erste Antworten auf die Frage: “Alles verkaufen bei fallenden Kursen?”, finden.
2.Deinen finanziellen Status quo ermitteln
Bevor du damit beginnst, fleißig dein Geld zu investieren, solltest du dich zunächst mit deiner finanziellen Ist-Situation auseinandersetzen. Dazu gehört neben einer Nettovermögensaufstellung ebenso ein Haushaltsbuch. Mit ersterem kannst du dir einen allgemeinen Überblick über deinen Finanzen verschaffen.
Das Haushaltsbuch, egal in welcher Form, ob als Heft, Excel-Tabelle oder App hilft dir dabei deine regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben im Blick zu behalten. So kannst du Kostenfallen, wie unnötige Abos, überteuerte Versicherungen und überflüssige Konsumaufwendungen schnell identifizieren.
Mit dieser Kontrolle gewinnst du Planungssicherheit. Du kannst nun festlegen, wie viel jeden Monat von deinem Einkommen übrig bleibt. Zusätzlich kannst du an zwei Stellschrauben drehen, um deinen Sparbetrag gegebenenfalls sogar zu erhöhen.
Du kannst deine fixen und variablen Kosten reduzieren sowie deine aktiven und passiven Einnahmen erhöhen.
3.Deine Ziele und deine Strategie
“Ja ich investiere alle zwei Monate 250 EURO in einen ETF. Dazu habe ich noch einen Bausparer. Und ich hatte noch tausend EURO übrig, die ich in Bitcoin gesteckt habe.” Im Freundeskreis sind mir schon häufiger Aussagen wie diese begegnet.
Frage ich dann nach dem Ziel hinter dieser Investments bekomme ich dann “Na ja um dabei zu sein.” zu hören. Eine Antwort, bei der sich mir die Nackenhaare aufstellen. Diese Aussage zeigt leider sehr deutlich, dass sich jemand überhaupt keine Gedanken über seine finanziellen Ziele oder gar über eine Strategie gemacht hat.
Das sind die erste, die alles verkaufen bei fallenden Kursen. Nun fragst du dich hoffentlich spätestens jetzt, wie du denn deine Ziele und deine Strategie festlegen kannst. Dazu musst du dir wiederum eine Reihe von Fragen beantworten können. Dazu gehören:
- Wie definiere ich Ziele richtig?
- Was sind meine finanziellen Ziele? (Altersarmut vermeiden, Rentenlücke schließen, Teilzeitarbeit, Unabhängigkeit von aktivem Einkommen, etc.)
- Was kostet mich dieses Ziel?
- Wie kann ich dieses Ziel erreichen?
- Was ist passives/aktives Investieren?
- Was besagt die Effizienzmarkthypothese?
- Was bedeutet Buy-and-Hold?
- Was ist Diversifikation und wie kann ich diese für mein Portfolio einsetzen?
Kannst du diese Frage konkret beantworten, bist du schon bedeutend näher an den Hartgesottenen, die während eines Crashs die Nerven behalten. Ein wesentlicher Faktor darf dabei allerdings nicht unberücksichtigt bleiben.
4.Deine Risikobereitschaft
Eines sage ich gleich vorweg: Rendite kommt von Risiko. Jede Investition, die eine gewisse Rendite verspricht, ist mit einem entsprechenden Risiko verbunden. Verspricht dir jemand einen riesigen Gewinn mit garantierter Sicherheit, kannst du davon ausgehen, dass dir deinen Gegenüber gerade nicht die Wahrheit erzählt und solltest davon direkt die Finger lassen.
Es gibt Möglichkeiten das Rendite-Risiko-Verhältnis zu verbessern. Dazu gehört unter anderem die breite Streuung in zahlreiche Unternehmen, Branchen, Regionen, Länder, Asset-Klassen über einen Anlagehorizont von mindestens zehn bis fünfzehn Jahren hinweg.
Diese Aspekte sollte man bei der Bestimmung der Level-1 und Level-2 Asset-Allocation berücksichtigen. Schauen wir uns zunächst die erste Ebene an. Für dich kommt es nur in Frage, zu verkaufen bei fallenden Kursen, wenn du diesen Schritt nicht richtig durchdacht hast.
Deine Level-1 Asset-Allocation definiert deine Risiko-Verteilung auf der ersten Ebene. Das bedeutet, wie hoch ist der prozentuale Anteil deines Sparbetrags, den du risikobehaftete beziehungsweise risikoarm anlegst. Die Verteilung kann dann bei 20/80, 50/50, 70/30 oder allem dazwischen liegen.
Zu den eher risikoarmen Geldanlage zählen das Tagesgeld- oder Girokonto sowie Staatsanleihen mit höchster Bonität in der Heimatwährung mit Laufzeiten von maximal 36 Monaten. Wie du sicher weißt, gibt es hier kaum bis gar keine Zinsen. Ganz im Gegenteil. Häufig müssen wir derzeit noch draufzahlen.
Dieser Anteil deines Portfolios ist jedoch nicht dazu gedacht, enorme Renditen zu erwirtschaften, da du ja ansonsten damit wiederum unvermeidliche Risiken eingehen würdest.
Folgende Fragen können dir dabei helfen deine Risikotragfähigkeit und deine finanzielle Risikobereitschaft richtig einzuschätzen:
- Wie groß ist mein Haushaltsnettovermögen?
- Wie sicher ist mein Einkommen?
- Wie hoch ist mein Sparbetrag?
- Wie viele Personen sind von mir abhängig? Wer ist auf mich und mein Einkommen angewiesen?
- Welche Verbindlichkeiten habe ich? (Kredite, Schulden, etc.)
- Welches Risiko bin ich emotional bereit einzugehen?
Besonders die emotionale Bereitschaft ein finanzielles Risiko zu tragen, kann sich erheblich auf deine Level-1 Asset-Allokation auswirken. Zu sehen wie in einer Excel-Tabelle Kurseinbrüche von 10, 20 oder 30 Prozent simuliert werden, kann wenig beeindruckend sein. Passiert dies tatsächlich in deinem Depot und dort stehen statt 100.000 EURO nur noch 70.000 EURO kann dies erheblichen Stress auslösen.
Genau dieses Gefühl von Angst und Unruhe verleitet dich dann dazu, dich zu fragen, ob verkaufen bei fallenden Kursen jetzt genau das Richtige wäre. Plötzlich gehörst du zu den Zittrigen, die von Panik erfüllt im minutentakt auf die Kurse schauen und Nachts nicht mehr ruhig schlafen können.
Daher solltest du diesen Punkt sehr intensiv für dich durchspielen und dich ausführlich mit deiner individuellen Lebenssituation auseinandersetzen, bevor du deine Risikobereitschaft festlegst. Diese kann sich im Laufe der Zeit mit beispielsweise zunehmendem Wissen oder anderen Umständen (Hausbau, Familienplanung, etc.) verändern.
Soll ich jetzt verkaufen bei fallenden Kursen?
Um diese Frage abschließend zu beantworten: Jein. Hast du deine Hausaufgaben richtig gemacht, wird sich dir die Frage gar nicht stellen. Ganz im Gegenteil die niedrigen Kurse laden zum vermehrten Kaufen ein, da du jetzt als Anleger besonders günstig Anteile erwerben kannst.
Derzeit stehen also die Chancen gut, höhere Investitionen zu tätigen. Aber Achtung: Auch bei dieser Aussage musst du immer im Hinterkopf behalten, dass niemand eine Glaskugel hat. Niemand kann vorhersehen, ob die Kurse nicht noch weiter fallen. Niemand weiß, wann die Kurse wieder steigen oder hast du die Pandemie, die Inflation und den Ukraine-Konflikt vorhergesehen?
Jeder, der das von sich behauptet, hatte entweder den Zufall auf seiner Seite, da er regelmäßig Crash-Szenarien und Untergangsprophezeiungen propagiert, um etwas zu verkaufen (Gold, eigener aktiver Fonds, etc.) oder biegt sich die Welt und seine Wahrheiten zurecht. Bei solchen Behauptungen ist also immer Vorsicht geboten.
Diejenigen unter euch, die sich mit den aktuellen Entwicklungen in ihrem Depot extrem unwohl fühlen und tatsächlich darüber nachdenken zu verkaufen bei fallenden Kursen, seien die zuvor genannten vier Schritte ans Herz gelegt. In meinem Umsetzungscoaching “Vermögensaufbau mit ETFs” gehen wir nicht nur diese Fragen durch, sondern du lernst in sieben intensiven Modulen, wie du dein Geld entsprechend deiner Lebenssituation gemäß mit ETFs investieren kannst.
Viele Informationen findest du aber auch bereits in meinem Blog und meinem Buch.
Hast du Fragen, kannst du diese gern immer in die Kommentare schreiben. Ich freue mich von dir zu lesen 🙂